Spiritualität – Fromm und verklärt. Ursprünglich lässt sich der Begriff wohl am besten auf jüdisch-christliche Geistliche zurückführen, aber es gibt keine einheitliche Definition. Im Kontext der Kirchen wurde dieser Begriff lange Zeit geprägt. Auch die sprachlichen Wurzeln des Begriffs zeigen den religiösen Hintergrund aus den Anfängen des Judentums. Spiritus aus dem Lateinischen heißt sowohl Atem als auch Geist, so wie das Verb spirare für atmen oder leben steht. Und so hauchte ein Gott den Lebensatem in eine Figur aus Staub und Erde im Garten Edens.
In der Kirchenphilosophie stand der Begriff für Frömmigkeit, für eine Geisteshaltung, die den Menschen weg von der Erbsünde und hin zu Gott bringen solle. Diese Frömmigkeit tritt als ein Gewissen auf, als Zeuge all unserer Taten, Absichten, Gedanken, Sehnsüchte, bereit anzuklagen vor einem inneren Jüngsten Gericht. Die Frömmigkeit steht damit gegen die natürlichen animalischen Triebe der Menschen.
Hinter den Schuldgefühlen eines Christen steht ein tieferliegender Sinngehalt. Schuld ist im Christentum tief verbunden mit Leben und Tod – der Christ wird mit Schuld und sündhaft geboren und muss durch Wohlverhalten und Gebete im Leben erreichen, dass es für ihn ein Leben nach dem Tod gibt. Es geht also eigentlich nicht darum, was hier auf Erden passiert, das ist nur der Tatbestand nach dem angeklagt und gerichtet wird, es geht um das, was nach dem Tod passiert: Freispruch oder Verdammnis.
Spiritualität beschäftigt sich also mit Fragen des Lebens und des Todes – Atem, Leben, Geist.
Und so suchen alle religiösen Menschen nach einer Antwort auf die Frage, was nach dem Leben passiert. Das Phänomen ist so übergreifend, dass es wie ein menschliches Grundbedürfnis wirkt. Während die Naturwissenschaften den Religionen in Fragen nach der Entstehung des Lebens die Antworten abnehmen, so gibt es aber keine positive Antwort auf die, was nach dem Tod passiert. Die Naturwissenschaften beschäftigen sich mit materiellen Dingen.
Auf die Fragen, ob etwas wie eine Seele gäbe, die einen Körper verlassen könnte, wurde nie etwas gefunden. Die Nervenzellen, die unser Denken ausmachen, hören im Sterben auf zu funktionieren und dann bleibt nur das Nichts. Nichts, was noch an irgendeinem anderen Ort existieren könnte, nichts, das gerichtet wird, nichts, was in einem Himmel ein tristes Dasein fristen muss.
Atheismus – Konsequenz intellektueller Redlichkeit. In diesem und anderen Kontext hat sich der Begriff der intellektuellen Redlichkeit etabliert. In der modernen Philosophie lassen sich Ansätze dazu schon länger finden und ist ein im Kern aufklärerischer Gedanke. Statt unsere Sünden vor einem inneren fiktiven Jüngsten Gericht zu zerren, sind wir angehalten unsere Überzeugungen zu überprüfen.
Stimmen diese mit der Realität überein?
Gibt es Belege für diese oder gar Beweise gegen sie?
In den Wissenschaften wurde dieses Prinzip auf die Spitze getrieben, da man nicht selbst, sondern andere die Richter sind, welche die Thesen überprüfen. Eine Behauptung wie es gibt einen Gott oder eine heilige Schrift eines solchen ohne unterstützende Daten ist haltlos und gilt als widerlegt, bis Belege gefunden werden. Eine Beweislastumkehr oder agnostische Haltung ist intellektuell unredlich. An irgendeinem Punkt muss jeder religiöse Mensch, der seinen Glauben reflektiert, entschieden haben, den Pfad des Wissens und der intellektuellen Redlichkeit zu verlassen. So bleibt mir nichts anderes, als Atheist zu sein.
Die Welt ohne Glauben fühlt sich kalt an. Wenn Glaubensvorstellungen hart, streng, eng, grausam, unerbittlich geprüft werden, so bleiben keiner von ihnen über. Es gibt nur dieses Leben, nichts davor, nichts danach. Keine Wärme eines liebenden Gottes, die uns Trost spenden kann, keine endgültige Gerechtigkeit, kein Wiedersehen geliebter Freunde. Diese Erkenntnis wirkt kalt und abstoßend.
Dieses eine Leben ist alles, was man hat. Nicht mehr, nicht weniger. Dieser Nihilismus hinterlässt eine Leere, ein Vakuum, das emotional unter Druck steht, eine Chance, das Alte zu ersetzen. Das schwächelnde Christentum wurde vom Thron gestoßen. Für manche nehmen neue Götzen den Platz ein. Wir sehen das zum Beispiel an der Esoterik und anderen Strömungen, die ein vergleichbares Dogma oder emotionale Bedürfnisbefriedigung bieten.
Auch diese beanspruchen Spiritualität für sich, wohl noch unklarer und verworrener als die Christen, lassen sich aber mit den gleichen Instrumenten der intellektuellen Redlichkeit zerschlagen, wie der Irrglauben der Monotheisten. Und so falle der Hammer.

Nun sag’, wie hast du’s mit der Spiritualität?
Satanismus – Spirituelle Befreiung. Was bleibt?
Das Leben.
Viele, die sich auf der Suche nach einer höheren Bedeutung in esoterischen oder anders religiösen Texten verirren, verlieren dabei eine wesentliche Sache aus dem Blick: ihr eigenes, jetziges, irdisches Leben. Das Konzept eines ewigen Lebens macht das Leben selbst bedeutungslos. Die Endlichkeit, der unfassbare Zufall, dass diese Materie, diese Energie, die dich gerade ausmachen, so zusammenstehen, dass es dich in diesem kleinen Augenblick des Universums gibt, macht das Leben kostbar, selten und zu einem Privileg. Also koste es voll aus und schätze dieses Leben auf deine Weise, solange du kannst.
Es kommt nicht darauf an, wie es uns nach dem Leben ergeht, denn dort gibt es nur das Nichts. Es kommt drauf an, wie wir jetzt leben und jetzt miteinander umgehen. Es braucht kein inneres jüngstes Gericht, dass einem das Christentum einreden muss. Ethik braucht keine Religion.
Aber wie sieht es mit den Gefühlen aus, die Religionen und andere Glaubensrichtungen zu befriedigen versuchen? Wie lässt sich nun Spiritualität mit der intellektuellen Redlichkeit vereinbaren?
Ich las vor einigen Tagen einen kurzen Artikel über eine Mathematikerin, die den Pfad der Redlichkeit verlies und sich wieder dem Christentum zugewandt hat. Durchweg scheint das Motiv dabei die Gemeinschaft zu sein, die sie unter anderen verwirrten Gläubigen auf Segelbooten und an Lagerfeuern fand.
Wir brauchen keinen Christus, um Gemeinschaft zu empfinden. Als Satanisten finden wie sie unter uns Brüdern und Schwestern, als Menschen bei allen Menschen, die uns gefallen. Im Gegensatz zu Religionen brauchen wir keinen Dogmatismus, der uns gleich wertlos macht, sondern wir schätzen uns in unserer Andersartigkeit, im radikalen Individualismus. Bei unserer Ästhetik und Symbolik bleibe ich dabei: es sind Symbole.
Niemand ist am Kreuz für unsere sogenannten Sünden gestorben, keiner hat uns aus Erde und Staub erschaffen, genauso wenig wie ein Luzifer vom Himmel gefallen ist oder ein Teufel uns in der Hölle erwartet. Und doch finde ich Schönheit in dieser Symbolik, tauche vorm Siegel Baphomets ein in die Tiefe des Bösen, erkenne die Finsternis in mir bei Kerzenschein und Ketten, meinen Willen zur Macht bei Behemoths Verarbeitung von Jesaja 14,12.
Das Christentum wurde vom Thron gestoßen, ich mache diesen zu meinem eigenen. Aus der Überzeugung, nicht gut sein zu müssen wie andere es vor Jahrhunderten meinten, bin ich frei.
Frei nach Wissen und Wahrheit zu streben.
Frei mein Leben zu führen, wie ich es will.
Frei Kunst zu gestalten und zu erleben, wie ich es will.
Satanismus – Symbolismus – Spiritualismus.