Vor einigen Tagen zog der Eurovision Song Contest (ESC) an uns vorbei und ständig las man etwas über Satanismus, der dort nun zelebriert werden würde.
Der ESC als solches interessiert uns nicht wirklich, dennoch wurden wir thematisch immer wieder darauf gestoßen, so dass wir nun überlegt haben, etwas dazu zu schreiben.
Die Satanismus-Keule wird gerne schnell geschwungen, wenn bestimmten Menschengruppen etwas missfällt und sie gewisse Dinge nicht verstehen können (oder wollen). Lieber zuerst die Keule schwingen, als die Dinge als solches zu betrachten und sich mit Themen auseinanderzusetzen, damit man sie verstehen und eventuell nachvollziehen kann.
Doch schauen wir uns den ESC und die Behauptungen mal etwas genauer an.
Um wen geht es?
Im Jahr 2024 gehen die Beschuldigungen an Nemo und Bambie Thug, dass diese Satanisten seien oder zumindest etwas damit zu tun hätten.
Beide Personen beschreiben sich als nicht-binär, also geschlechtlich außerhalb der Kategorien von Frau und Mann.
Allein aus diesem Grund sind sie schnell ein gefundenes Fressen für konservative Ansichten und Schwurbler (Verschwörungstheoretiker).
Jemand der nicht der Norm entspricht, hat von Grund auf etwas an sich, dass bestimmten Menschengruppen nicht gefällt und zuwider ist.
Natürlich sollte es bei einem Gesangswettbewerb relativ egal sein, was für ein Geschlecht oder welche sexuelle Orientierung jemand hat. Dennoch bleibt diese Information nicht aus, wenn es um vorherige Interviews oder die geschichtliche Entwicklung einer Band geht.
Andere vermuten dahinter geschäftliches Kalkül, wer weiß das schon so genau.
Doch gerade auf Bambie Thug hatten und haben sich viele eingeschossen, was mitunter an ihrer Kostümierung lag.
Sie selbst bezeichnet sich als Hexe. Was wie wir wissen, zwei verschiedene Paar Schuhe sind. Aber, nicht alle können so weit denken und dementsprechende Artikel konnte man dann lesen.
PRO – das christliche Medienmagazin behauptete in einem ihrer Artikel, dass der Beitrag aus Irland beim ESC „[…] strotzte nur so von Satanismus. Wie wohl noch nie zuvor war ein Beitrag derart von Teufelsanbetung geprägt wie in diesem Jahr […]“
Sie hätte bei ihrem Live-Auftritt Hörner auf dem Kopf gehabt. Naja … Hörner…
„[…] sie bezirzte den Teufel – ein Tänzer, der ein Horn auf der Stirn trug – inmitten eines Kreises aus brennenden Kerzen, in dem ein Pentagramm (ein fünfeckiger Stern, der Satan symbolisiert) zu sehen war.“
Ganz am Ende ihrer Performance stand auf der Leinwand „Crown the witch“ – also krönt die Hexe.
Ganz am Ende, als Nemo gewann, setze Bambie Thug ihm noch eine schwarze Dornenkrone auf.
Zuvor hatte sich das israelische Fernsehen sie als „satanisch“ bezeichnet, wahrscheinlich nicht zuletzt, weil sie sich gegen die israelische Militäroffensive und deren Gebaren geäußert hatte.
Man kennt es aus anderen politischen Debatten, wo plötzlich Personengruppen oder Länder als „vom Satan besessen“ oder „Satanisten“ bezeichnet werden und man dies als Begründung nimmt, um gegen jemanden vorgehen zu können.
Man selbst ist ja schließlich auf der „guten Seite“.
Weiterhin geht PRO darauf ein, dass Bambie Thug für ihr Genre den Namen „Ouija-Pop“ erfunden hat. Dies bezieht sich auf die Ouija-Brett-Spielereien, durch die man angeblich mit Geistwesen in Verbindung treten kann.
So wie sich deren Artikel liest, glauben die auch wirklich, was sie schreiben.
Gleichzeitig gehen sie aber auch darauf ein, dass Bambie Thug neoheidnische Hexerei, insbesondere Sigillenmagie und Manifestations-Magie betreiben würde.
Auch die irische Kirche (oder Teile davon) meldete(n) sich vor dem Finale zu Wort und wollte ihren Auftritt verbieten lassen.
Ein Priester wetterte in einer seiner Messen gegen die Sängerin und meinte, dass wegen Irland als Land am Ende sei.
Am Ende der Show, wie oben schon geschrieben, setzte Bambie Thug Nemo eine schwarze Dornenkrone auf. Die christliche Empörung ließ nicht lange auf sich warten, denn diese fühlten sich nun verhöhnt und gerade Boulevard-Blätter bedienten sich dieser Unterstellung. Emotionen machen eben Kasse und das einfache Volk lässt sich bedienen.
Eigentlich wollte Bambie Thug sich damit theatralisch am Ende selbst krönen, jedoch gewannt sie den Wettbewerb nicht.
Satanismus beim ESC?
Wer sich mit der Thematik des Satanismus‘ nur ein wenig auskennt, merkt schnell, dass diese ganzen Beschreibungen nur sehr bedingt in die Welt des Satanismus‘ passen.
Religiös-geblendete Ideologie versteht es nicht einmal im Ansatz Unterscheidungen zu treffen, sondern wirft einfach alles, wie selbstverständlich durcheinander.
Dass es einen Unterschied zwischen Satanismus, Hexerei und Neoheidentum gibt, wird nicht mal in Erwägung gezogen, weil dafür müsste man sich ja mit der Thematik überhaupt erst einmal auseinandersetzen und differenzieren können.
Das liest sich immer so, als würde man die Religion von Römern, Slaven und Wikingern in einen Topf werfen und sagen „Warum, ist doch alles eine Religion.“
Aber oftmals existiert dieser Wille der Differenzierung auch gar nicht, denn dadurch müsste man ja Dinge relativieren und wenn das geschieht, dann funktioniert das aufgebaute Feindbild nicht mehr. Feindbild ist hierbei oftmals alles, was außerhalb der eigenen, religiösen Vorstellungswelt existiert und weder sein kann noch sein darf.
Nur das eigene Weltkonstrukt ist der Status Quo und muss unabdingbar erhalten bleiben.
Dafür bezeichnet man alles Andersartige, alles, was man nicht versteht und alles, was mehr Freiheit als man selbst besitzt, durch die selbst geschmiedeten Fesseln, als satanisch oder Satanismus.
Bambie Thug gehört zu den Hexen, was sie auch offen zelebriert und für uns als Satanisten völlig okay ist, schließlich ist es ihr Leben, nicht unseres.
Dass moderne Satanisten und Hexen nicht unbedingt die besten Freunde sind, ist ja eher ein offenes Geheimnis. Dennoch sind beide Lebensstile gerechtfertigt und können nebeneinander existieren.
Wer sich mit den verschiedenen Ideen auseinandersetzt, erkennt auch sehr schnell die unterschiedlichen Symboliken, die benutzt oder eben nicht benutzt werden.
Menschen, die sich damit nicht befassen oder bestimmte (religiöse) Ideologien verfolgen, können das hingegen (meistens) nicht und schreiben dadurch wirre Texte, die sich dann völlig absurd lesen, weil sie fernab jeglicher Realität und Wissenschaftlichkeit sind.
Satanismus, Hexerei, Neuheidentum?
Selbstverständlich ist auch uns klar, dass es Unterschiede im Satanismus gibt. Doch, wenn sich eine Hexe über Hexenmagie und Neoheidentum äußert und nicht über Satanismus, dann ist sie im Bereich der Hexerei und des Neoheidentums zu finden und eben nicht im Satanismus.
Einige andere Journalisten haben das auch schon verstanden und ordnen sowohl Song als auch beabsichtigte Selbstkrönung von Bambie Thug anders ein:“ Die spezielle Aufführung von „Doomsday Blue“ lässt sich durchaus als Leidensweg non-binärer Menschen interpretieren, auf den dann mit dem Jesus-Christus-Symbol aufmerksam gemacht werden sollte.“ (Rollingstone)
Manchmal hilft ein klarer Blick auf die künstlerische Darstellung oder einen Menschen, anstatt eines vorgefertigten Meinungsbildes über andersartige Personen.
Hierin haben sich die Religionen bis heute nicht verändert und jeder der einer solchen angehört, sollte tief in sich gehen und sich fragen, wie verbohrt die eigene Religion vielleicht sein könnte.
Selbstreflexion ist hier das Stichwort.
Quellen
https://www.pro-medienmagazin.de/satanismus-beim-eurovision-song-contest
https://www.die-tagespost.de/kultur/feuilleton/des-teufels-neue-kleider-art-251271
https://www.br.de/nachrichten/kultur/kerle-in-korsetts-so-kaempft-russland-gegen-den-esc,UCHOEtN